Krankheit: außerordentliche Kündigung
Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers wegen Krankheit
Zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts, BAG, Urteil vom 23. Januar 2014 – 2 AZR 582/13 –, juris, ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen.
Das Bundesarbeitsgericht lässt Kündigungen im Zusammenhang mit Erkrankungen des Arbeitnehmers nur bei Vorliegen eng definierter Voraussetzungen zu. In Betracht kommen Kündigungen bei lang andauernden Erkrankungen und bei häufigen Kurzerkrankungen. Dies sind in der Regel ordentliche Kündigungen. Aber kann auch außerordentlich gekündigt werden, wenn etwa der Arbeits- oder Tarifvertrag ordentliche Kündigungen ausschließt?
Nur in Ausnahmefällen kommt eine außerordentliche Kündigung wegen Krankheit in Betracht
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB muss für eine außerordentliche Kündigung ein wichtiger Grund vorliegen. Das Bundesarbeitsgericht geht grundsätzlich davon aus, dass dem Arbeitgeber die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten ist. Nur dann wenn eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist, kommt eine außer die Kündigung im Zusammenhang mit krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit in Betracht. Dann müssen zudem noch weitere Voraussetzungen vorliegen.
Weitere besondere Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung wegen Krankheit
Die prognostizierten Fehlzeiten und die sich aus ihnen ergebende Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen müssen deutlich über das Maß hinausgehen müssen, welches eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen vermag. Das Bundesarbeitsgericht: Es bedarf eines gravierenden Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Ein solches ist gegeben, wenn zu erwarten steht, dass der Arbeitgeber bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses – ggf. über Jahre hinweg – erhebliche Entgeltzahlungen zu erbringen hätte, ohne dass dem eine nennenswerte Arbeitsleistung gegenüberstände. Die Aufrechterhaltung eines solchermaßen “sinnentleerten” Arbeitsverhältnisses kann dem Arbeitgeber auch im Falle eines ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmers unzumutbar sein (BAG, Urteil vom 23. Januar 2014 – 2 AZR 582/13 –, juris).
Problem: Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB
Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt gemäß § 626 Abs. 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
Bei lang andauernder Erkrankung ist dies kein Problem. Dazu das Bundesarbeitsgericht: Bei Dauertatbeständen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen fortwährend neu verwirklichen, lässt sich der Fristbeginn nach § 626 Abs. 2 BGB nicht eindeutig fixieren. Liegt ein solcher Tatbestand vor, reicht es zur Fristwahrung aus, dass die Umstände, auf die der Arbeitgeber die Kündigung stützt, auch noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung gegeben waren (BAG, Urteil vom 23. Januar 2014 – 2 AZR 582/13 –, juris).
Voraussetzung ist also lediglich, dass der Arbeitnehmer mindestens zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung noch arbeitsunfähig krank war.
Bei häufigen Kurzerkrankungen ergibt sich auch kein Problem für den Arbeitgeber. Dazu das Bundesarbeitsgericht: Auch häufige Kurzerkrankungen können einen Dauertatbestand darstellen. Kündigungsgrund ist dabei nicht die Erkrankung als solche, sondern die negative Gesundheitsprognose und eine daraus resultierende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Sie kann sowohl auf einer einheitlichen Krankheitsursache als auch auf unterschiedlichen prognosefähigen Erkrankungen beruhen. Die verschiedenen Erkrankungen können den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulassen und damit eine negative Prognose begründen
Fachanwaltstipp Arbeitgeber:
Auch wenn die ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers ausgeschlossen ist, kann bei Vorliegen der geschilderten Voraussetzungen eine außerordentliche Kündigung zulässig sein. In der Praxis werden die Gerichte eine solche Kündigung aber mit sehr spitzen Fingern anfassen. Das bedeutet zumindest erhöhten Begründungsbedarf.
Quelle:
(BAG, Urteil vom 23. Januar 2014 – 2 AZR 582/13 –, juris)